
Singletasking: Warum unser Gehirn Fokus liebt
„Ich wollte nur kurz …“ – und plötzlich sind zwei Stunden vergangen. Zwischen E-Mails, Nachrichten, Social Media und tausend kleinen Aufgaben verlieren wir oft das Gefühl für echten Fokus. Multitasking scheint die Norm geworden zu sein – aber zu welchem Preis?
In meiner Arbeit als Therapeutin begegnet mir dieses Thema oft: Viele meiner Klient:innen fühlen sich erschöpft, unkonzentriert, ständig unter Strom. Und fast immer spielt das Gefühl von Überreizung und ein Drehen im Hamsterrad, ein Funktionieren im Alltag eine Rolle.
Unser Gehirn ist nicht für permanentes Springen gemacht – es sehnt sich nach Ruhe, nach Klarheit. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit lenken und nicht vieles gleichzeitig und parallel erledigen. Durch konzentriere Aufmerksamkeit verbessern wir unsere Leistung, erhöhen die Zufriedenheit und reduzieren Stress. Je mehr wir den vielen Mikroablenkungen im Alltag nachgeben, desto angespannter fühlen wir uns. Auch da ist es wichtig, das überhaupt erst einmal wahrzunehmen, denn vieles geschieht unterbewusst und wir sind durch die Geschwindigkeit des Informationsflusses im Reiz-Reaktionsmodus.
Schritt für Schritt heraus in die Selbststeuerung und Lenkung der Aufmerksamkeit können wir trainieren. Das beschreibt der Neurowissenschaftler Dr. Volker Busch gut verständlich in seinem Buch „Kopf frei“. Klare Leseempfehlung 😉
Ist Multitasking ein Mythos?
Was wir im Alltag oft als Multitasking bezeichnen, ist in Wahrheit ein ständiges Umschalten zwischen Aufgaben, sogenanntes Task Switching. Und dieser Wechsel ist für das Gehirn alles andere als effizient. Die Neurowissenschaft zeigt: Bei jedem Wechsel muss das Gehirn neu fokussieren – das kostet Energie, Konzentration und Zeit. „Multitasking verringert die kognitive Leistung um bis zu 40 %“, sagt Dr. David Meyer, University of Michigan.
Diese ständigen Wechsel belasten den präfrontalen Kortex, der unter anderem für Konzentration, Problemlösung, Entscheidungsfähigkeit und Emotionsregulation zuständig ist. Das Stresshormon Cortisol steigt, die Fehleranfälligkeit nimmt zu, und wir fühlen uns mental erschöpft (Rubinstein et al., 2001; Mark et al., 2008).
Stress durch zu viele gleichzeitige Tätigkeiten
Vielleicht hast du es selbst schon bemerkt: Nach einem Tag voller Multitasking fühlst du dich müde, gereizt, innerlich zerstreut. Kein Wunder – dein Gehirn hat Höchstleistung im Chaos-Modus erbracht. Langfristig kann das zu innerer Unruhe, Konzentrationsproblemen und sogar Schlafstörungen führen.
Mit Singletasking zurück zur Klarheit
Im Gegensatz dazu bedeutet Singletasking, sich ganz bewusst nur einer Sache zu widmen. Wirklich im Hier und Jetzt zu sein. Das klingt simpel – ist aber in unserer Welt voller Reize und Reaktionsgeschwindigkeiten, die allein schon die Digitalisierung mit sich bringt, eine echte Kunst.
Wenn wir nur bei einer Aufgabe bleiben, werden wir konzentrierter, ruhiger und gleichzeitig produktiver (Csikszentmihalyi, 2002). „Das Gehirn braucht Pausen zwischen komplexen Aufgaben. Dauerndes Switchen erschöpft unsere mentale Energie.“
(Dr. Daniel Levitin, Neuropsychologe)
Fazit: Weniger ist oft mehr
Multitasking klingt nach Produktivität – tatsächlich führt es oft zu Stress und innerer Zerrissenheit. Singletasking ist eine Einladung, wieder ganz bei dir zu sein. Im Moment. In Ruhe. Mit Klarheit. Vielleicht magst du es diese Woche ausprobieren? Nimm dir täglich ein paar Minuten für nur eine Sache. „Wenn ich esse, esse ich“, sagt der Buddhist.
Die Apple-Mitarbeiterin Linda Stone schrieb in ihrem Blogartikel: „…durch die kontinuierlichen Teilaufmerksamkeiten, die wir heute den Dingen des Lebens schenken, sind wir zwar überall ein bisschen, aber die meiste Zeit nirgends richtig.“
📚 Quellen:
- Rubinstein, J. S., Meyer, D. E., & Evans, J. E. (2001). Executive control of cognitive processes in task switching.
- Mark, G., Gudith, D., & Klocke, U. (2008). The cost of interrupted work: More speed and stress.
- Levitin, D. (2014). The Organized Mind.
- Csikszentmihalyi, M. (2002). Flow: Das Geheimnis des Glücks.
- Buch „Kopf frei“, Prof. Dr. V. Busch